Bei
Schnurbärte sind bäh ist es in letzter Zeit nicht nur um
Nadja etwas ruhiger geworden. Die Gründe dafür liegen weniger bei
Nadja, sie sind produktiv wie eh und je (einige Splits (u.a. eine zweite mit Atavist), eine 7", verschiedene Reissues (u.a. eine
Thaumogenesis/Thaumoradiance Doppel-CD) usw seit dem letzten Album
Desire in Uneasiness), aber ich eben nicht. Über das Warum, Weshalb und Wieso Nicht breiten wir das Mäntelchen des Vergessens.
Zum Hören zu Hause kam dann endlich auch mal die Gelegenheit Nadja in Lebensgröße zu sehen - no pun intended. Am 21.01. spielten sie im Kölner Sonic Ballroom. Vollkommen überraschend war ich viel zu früh da, also pünktlich um 20 Uhr zum Einlassbeginn. Immerhin ließ das genug Zeit ein Bier zu trinken und mit dem momentanen Badewannenbuch weiter zu kommen (
Paul Austers Die Erfindung der Einsamkeit). Der angenehm schreddrige Sonic Ballroom füllte sich zunächst langsam und kurz vor halb zehn dann ruckartig. Die Kölner scheinen da ein besseres Timing zu haben als wir vermeintlichen Landeier. Das Ergebnis war, daß
Melanchoholics, die als Vorband auftraten vor einer rappelvollen Bude spielten. Den Leuten schien es wohl auch zu gefallen, mir nicht. Prätentiöses Ambient-Doom-Gedudel, das Nadja wohl nicht unähnlich sein sollte, aber leider weder Tiefe, Breite, Emotionalität, Kühle, Entfremdung, Schüchternheit noch Verhuschtheit oder irgendwas zu bieten hatte. Vielleicht hat mich auch einfach nur das Repertoire an Metal-Posen des Gitarristen und des Bassisten gestört. Na, seis drum. Von denen wird man entweder noch hören oder eben nicht. Nach angenehm kurzer Umbaupause, also etwa 10 Minuten später, fingen dann Nadja an zu spielen, da offensichtlich nicht wenige Leute, darauf schon keinen Bock mehr hatten, war der Laden beim ersten Song nur noch dreiviertel voll, nach dem zweiten Song und ca 20 Minten Spielzeit, war er dann nur noch gut zur Hälfte gefüllt. Menschen sind halt komisch. Entsprechend, dann auch die Ansage, daß Nadja jetzt noch einen Song spielen würden und dann wäre Schluß. Verwirrte Blicke, Enttäuschung, leises Murren. Knapp 45 Minuten später war dann nach einer kurzen Shoegazer-Pop-Zugabe Ende. Bis dahin ein gelungener Abend, außer daß der Bassist der Vorgruppe wohl komplett durch war und zwei Damen in einer Irrsinnslautstärke während des kompletten Nadja-Sets irgendwas zu erzählen hatte. Was wunderbar die sehr leisen Parts, die den Pol Ambient ausloteten, konterkarrierte. Er war ja nicht der einzige, der offensichtlich auf Konzerte geht, um sich mal ordentlich auszumären. Also, nochmals, seis drum.
Wenden wir uns nochmal den erfreulichen Aspekten des Abends zu. Zum einen hat Paul Auster meine momentane Gemütslage auf den ersten Seiten von Die Erfindung der Erinnerung (zweiter Teil in besagtem Die Erfindung der Einsamkeit) ganz gut skizziert - in Stichworten: Melancholie,
Selbstmitleid, depressive Dissoziation - und zum anderen waren Nadja einfach super. Pop, als Shoegazer, scheint ein wenig mehr Gewicht zu bekommen, dafür weicht der Metal aus den Arrangements, was jetzt nicht das schlimmste ist. Obige Kriterien, die
Melanchoholics komplett abgingen, werden bei Nadja im Vorbeigehen erfüllt. Zutiefst düstere Klangwelten werden mit einer Leichtigkeit vorgetragen, die einen trotz der depressiven Ästhetik mit einem debilen Grinsen nach Hause gehen lässt. Früher nannte man sowas wohl Katharsis, bei Musik wird das meistens für Harte-Jungs-Musik verwendet (Neurosis, Isis oder so Zeug, sicherlich nicht so schlimm wie der ganze NuMetal-Quatsch und bestimmt auch irgendwie tolle Musik, aber irgendwie zu wenig gebrochen). Den von Martin Büsser für
Bohren und der Club of Gore ins Spiel gebrachte Begriff der Erhabenheit (vgl.
intro-Review zu
Dolores) lässt sich auch für Nadjas Musik trefflich verwenden. In der Spannung aus Konzentration und sich treiben lassen entsteht aus all den düsteren Elementen eine eigentlich schon zu schnöde Schönheit und man schreibt sich um Kopf und Kragen, wenn man sie zu erfassen versucht. Von love, peace und happiness, Versöhnung und Relativierung will hier ja wohl niemand etwas lesen. (Notiz an mich selber: häufiger mal wieder
Godfleshs Merciless EP hören)
Über den Rest des Abends aka die Heimreise hüllen wir den Umhang des Schweigens. Nur so viel: ein Fahrkartenautomat und mein Fuß waren involviert.