Sonntag, März 11, 2007

"Neues" aus dem Web2.0

Bei intro.de gibt es seit einiger Zeit nicht nur einen Blog, sondern auch die Kolumne "Web2.0 und so...". In ihr stellt Autor Moritz Sauer Neues, Irres, Banales und Normales aus den Weiten des Mitmachwebs vor. In der jüngsten Auflage geht es um das von mir äußerst geschätzte social-networking-Portal MySpace. In der "Planet MySpace" betitelten Kolumne kriegt der Gigant unter den Befreundungsportalen sein Fett weg und zwar weil es den Ansprüchen zeitgemäßen Webdesigns nicht entspreche, hui.
"Dachte jeder Web-Geek, wir hätten das Mittelalter des Internets mit bösen Tabellen-Layouts überwunden, dem grinst MySpace frech ins Gesicht: "Pech gehabt!"."
Und weiter :
"Statt benutzerfreundlichen Webseiten den Vortritt zu lassen, dreht das MySpace-Monster sinnvolle Standards genüsslich durch den Reisswolf und spuckt uns ein designtechnisches Horrorszenario vor die Füße."
Da werden gegen den Chefapologeten der totalen Verdummung aber mal ganz harte Geschütze aufgefahren. Anschließend wird noch mal eben der Kapitalismus gegeißelt. Denn hinter den angeblichen Verschönerungstools die man per Google-Suche finde, verstecke sich schließlich eine Seite durch die man an "einen geschickt eingebauten Google-Adsense-Werbeblock" gelange, denn "für nichts anderes wurden diese Seiten angelegt." Das nenne ich mal nicht nur verkürzte, sondern auch naive Kapitalismuskritik. Nur logisch, daß der "Datenkrake Google" nicht unerwähnt bleiben darf. Wo man es sich schon mal so schön bequem gemacht hat in der Web-von-unten-Position.

Unerwähnt will nämlich nicht gelassen werden, daß es - und diese Infromation ist bestimmt für die eine oder den anderen Schnurbärte-sind-bäh-Leser/in nicht gänzlich uninteressant - auch ein sehr gelungenes Pimp-my-MySpace-Tool gibt, nämlich dieses hier.

Abschließend skizziert Herr Sauer dann noch eine mögliche Zukunft von MySpace als Musikverkaufsplattform ohne die klassischen Umwege Label, Vertrieb und Plattenladen. Allerdings nicht ohne den Seitenhieb, daß Murdoch dann bald Monopolist sei. Ach, so ein personifizierter Antikapitalismus ist doch immer wieder fein.

Natürlich ist das alles nicht ganz unrichtig, aber es ist eben nicht nur aus der Sicht des quietschebunten Mitmachwebs nur die halbe Wahrheit. Denn ästhetisch ist MySpace vielleicht nicht state of the art, genauswoenig wie btw Blogger, aber MySpace ist eben nicht nur vom Standpunkt des Webdesigns her die größte Zumutung seit Big Brother oder dem Kindergarten, der Grundschule und allem was danach kommt, sondern es ist v.a. aus kapialistischer Sicht konsequent, denn mit Marx wissen wird, daß alles Kapital zum Monopol bzw zur Monopolisierung strebt. Also ist das Monopol kein Gegensatz zum Kapitalismus, sondern logische Konsequenz.

Oder um es mit Adorno zu Ende zu bringen:
"Die ästhetische Barbarei heute vollendet, was den geistigen Gebilden droht, seitdem man sie als Kultur zusammen gebracht und neutralisiert hat." (Adorno/Horkheimer, 2000: Dialektik der Aufklärung, S. 139)
Nämlich die Halbbildung. Jenes vor und von den Umständen dumme Alles-Wissen, das nie schweigt, dem wir aber alle immer und immer wieder anheim fallen.


eine schöne Gelegenheit noch mal dieses bereits von Julius gepostete Bild zu bringen

Daß es auch deutlich weniger radikale Positionen gibt um MySpace scheiße zu finden sollte klar sein, trotzdem werde ich hier mal einige kurz umreißen. Da ist zum ersten das Problem des Datenschutzes. Dieser wird dank MySpace und seinem Bruder im Geiste YouTube im Moment im Selbstdarstellungsweb mehr als klein geschrieben, obwohl oder weil es so leicht wäre einigermaßen anonym durch die Weiten des virtuellen Weltalls zu rasen. Daß die gesammelten Daten nicht nur für Werbezwecke interessant sind, versteht sich in einer vor Angst vor dem Terror paranoiden Welt von alleine. Aber auch aus computersicherheitsrelevanter Sicht ist MySpace ein rechtes Furunkel am Arsch des fröhlichen 2.0Webbers, da es als Virenschleuder verschrieen ist, wie es in der realen Welt wohl nur der Karneval ist, wenn man sich mal die Erkältungs- und Grippegeschwächten der letzten Wochen anschaut.

btw, es gäbe fast einen Grund doch einen MySpace-Account zu haben, denn dann könnte ich "Freund" von den tollen Hrubesch Youth werden und das hier.

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

erst einmal klasse, dass das hier geschrieben wurde. kommunikation und kritik und auseinandersetzung immer super :)

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natürlich ist meine kolumne ein wenig einseitig. sie soll kurz mal anreissen was geht und was nicht. und ich denke, einige meiner punkten sind ja auch korrekt.

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"Denn hinter den angeblichen Verschönerungstools die man per Google-Suche finde, verstecke sich schließlich eine Seite durch die man an "einen geschickt eingebauten Google-Adsense-Werbeblock" gelange, denn "für nichts anderes wurden diese Seiten angelegt."

--> klick mal auf den link, den ich da untergebracht habe und schau dir diese webseiten an. das sind wirklich parasiten und anstelle designs schön übersichtlich anzubieten, sind die seiten voller irreführender werbung. ist ok, aber irgendwie habe ich mich geärgert. das geht besser und netter. aus meiner sicht eine fiese seite des webs so die werbung mit den inhalten zu verweben, dass man sich stark konzentrieren muss.

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zum schluss vielleicht auch noch ein statement: myspace ist ein großartiges werkzeug für musiker. das zeigt alleine schon der letzte abschnitt. auf myspace promoten sich musiker selbst und das funktioniert - so berichten kollegen und musikerfreunde - exzellent. nichtsdestotrotz ist es eine horror-website, die viel intuitiver, schöner und benutzerfreundlicher sein könnte. aber darauf ist sie nicht wirklich angelegt. so ein gefühl hat man wenigstens ;)

ich finde bei dem budget, könnte es besser sein und webstandards, wären auch drin. dann könnte man sich wirklich wunderbare layouts zusammenzimmern. und blinde, behinderte und so würden sich auf freuen ;)

--- liebe grüsse, moritz mo. sauer

daniel hat gesagt…

Erst mal danke für dein Feedback, Moritz. Ist ja eher selten, daß man so'n direktes und freundliches Statement bekommt.

Bei der Feindlichkeit des MySpace-Designs für Blinde/Sehbehinderte, Behinderte etc. stimme ich mit Dir völlig überein. Aber da ist MySpace natürlich auch nur einer von vielen. Man sollte aber schon erwarten dürfen, daß die vermeintlich Großen mit gutem Beispiel voran gehen.

Und über die gute Seite (nämlich die für Musiker) von MySpace besteht auch absolute Einigkeit, da ich eben auch Leute aus Bands kenne, die so Auftritte mit verschiedenen Bands in den jeweiligen Städten tauschen können und Mini-Touren nicht mehr ins Blaue buchen (müssen). Zumindest für kleinere Bands ist es natürlich eine Möglichkeit sich relativ einfach promoten zu können. Und wenn das zukünftig die Möglichkeit bietet, Musik von dort direkt verkaufen zu können, ist da natürlich eine Möglichkeit, die diskutiert werden kann und muss. Daß ich eher Fan des klassischen physischen Tonträgers bin (diese großen schwarzen Dinger, die so schlecht in CD-Player und CD-Rom-Laufwerke passen), ist v.a. Geschmackssache und hat mit der eigentlichen Diskussion auch wenig zu tun.

Abschließend möchte ich einen Punkt noch mal kurz deutlich machen, nämlich, daß die Vernachlässigung jeglicher praktischer und userfreundlicher Designs für mich nur ein Nebenschauplatz in der kritischen Auseinandersetzung mit MySpace ist, die anderen Aspekte liegen - wie in diesem Post ernsthaft angemerkt - in der Pseudobeteiligung, der vorgeblichen sozialen Komponente und eben der Entfremdung ernsthafter Auseinandersetzung, so viel Kulturpessismus muss sein! ;)

Die kapitalistischen Aspekte halte ich zwar für kritikwürdig, aber eben auch konsequent. Denn nicht nur dank Julius Firefly wissen wir, daß das Web2.0 v.a. zwei Zwecken dient, Sex und Kommerz.

In dem im ersten Absatz verlinkten Post habe ich mich zu meiner Abscheu MySpace gegenüber schon mal ironisch ausgelassen, also ohne Marx und Adorno herbei zu zitieren.

schöne Grüße.
daniel

Anonym hat gesagt…

:)

ich habe das hier noch gefunden bzw. über einen kumpel in der email vorgefunden:

http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/370095

liebe grüsse, moritz

daniel hat gesagt…

Ist ein krasser Fall. Und zeigt natürlich a) die Richtigkeit der These des ureigenen Nutzens des Internets ;) und b) daß das "social" in social-networking nix mit social geschweige denn socialist zu tun hat, sondern daß bei MySpace (und nicht nur da) "social" eigentlich so K-O-N-F-O-R-M-I-T-Ä-T buchstabiert wird.

schöne Grüße, daniel