Montag, August 07, 2006

SHELLAC

nach einigen versuchen bei 'schnurbaerte sind baeh' musik zu launchen, wird diese reihe nun mit der vorstellung der von mir sehr geschätzten shellac weitergeführt.

shellac sind:
steve albini (li) an gesang und gitarre (früher big black und rapeman),
bob weston (re) am bass (früher volcano suns et al.) und
todd trainer (mi) am schlagzeug (früher rifle sport et al. und immer noch brick layer cake)


* bild ausgeliehen von phantom limb.com

shellacs musik läßt sich als komplexität durch reduktion beschreiben. oftmals bestehen die songs nur aus wenigen teilen oder gar noten, wie bspw. 'didn't we deserve a look at you the way you really are', dem opener von 'terraform' (shellacs zweiter lp), der 12 minuten lang um wenige rhythmusfiguren und drei bis vier basstöne mäandert, und nur ab und zu von ein wenig gitarrenplingplong, etwas text und der - bis zur unerträglichkeit wiederholten und schlußendlich nur noch ein erschöpftes "JA!" zulassenden - titelgebenden frage unterbrochen wird. in seiner intensität und einfachheit einer von shellacs ganz großen würfen.



bereits im shellacschen frühwerk (den ersten drei 7''-singles) finden sich zeugnisse wahnwitziger schaffenskraft. hier sind besonders die beiden stücke auf 'uranus' hervorzuheben, zum einen eine hommage an die mutter des jesus lizard-sängers david yow ('doris') und zum anderen der song 'wingwalker', der im anderssein die quelle der freiheit findet ( "the plane becomes a metaphor for my life; (...) it's my art; i disguise my body in the shape of a plane ... and fly!"). 'wingwalker' entfaltet seine ganze kraft und schönheit im besonderen als live-version auf der 'live in tokyo'-cd und auf dem mp3-only-bootleg 'live at la maroquinerie - 29.03.04'.


bezogen auf die vinyl-only-singles stellt das debut-album 'at action park', wie fast alle shellacveröffentlichungen erschienen bei touch and go, eine abkehr von vermeintlichen songs dar. wo 'the rude gesture: a pictorial history', 'uranus' und 'the bird is the most popular finger' relativ "normale" songs boten, liegt der fokus beim debut-longplayer auf rhythmisch klar begrenzten einheiten bzw texturen. dafür wird der/die hörer/in neben der unglaublichen intensität jedes einzelnen stücks mit einem wunderbaren artwork "belohnt", das einen fiktiven rummelplatz darstellt, in dem die einzelnen titel als attraktionen auftauchen. wie auch bei allen weiteren veröffentlichungen liegt das hauptaugenmerk auf der vinyl-edition, die neun monate vor der cd-ausgabe erscheint und auf extraschwerem "180g virgin vinyl" gepresst wurde. einzelne songs hervorzuheben lohnt nicht, da die platte von vorne bis hinten absolut empfehlenswert ist!



aus den selben aufnahmesessions stammt auch die zweite lp 'terraform'. auf diese bin ich ja schon kurz eingegangen, hier noch einige anspieltips, neben dem erwähnten opener sind 'mouthpiece' (als "klassischer" shellac-song) und das eher klassisch-indierockige - und somit shellac-untypische - 'copper' zu erwähnen, das auch den abschluß der platte bildet. wie auch schon bei 'at action park' ist das artwork äußerst liebevoll gestaltet. als coverkunst dienen bilder des futuristischen malers Chesley Bonestell, deren reproduktion so kompliziert war, daß die ersten 20.000 gatefold-cover eingestampft werden mußten, da sie nicht den qualitätsansprüchen der band genügten. wie auch schon bei der 'at action park' erschien die cd-version deutlich später als die vinyl-variante, zudem war der preis für beide ausgaben ungefähr gleich hoch, zum damaligen zeitpunkt etwa 30 dm.



einen ganz besonderen coup bezogen auf ihre vinyl-politik, landeten shellac mit der veöffentlichung von '1000 hurts'. zwar wurden beide formate zeitgleich ausgeliefert, aber die vinyl-version enthielt neben der platte zusätzlich die cd. damit wollten shellac gegen die - aus ihrer sicht - absurde preispolitik bei cd-verkäufen protestieren. die musik auf '1000 hurts' ist insgesamt wieder songorienter als noch auf der debut-lp und überlange songs fehlen ebenfalls. der opener 'prayer to god' legt jedoch nach einer kurzen begrüßung des zuhörers mächtig los, wie der titel bereits ankündigt handelt es sich um ein gebet, in dem der betende gott bittet den kerl zu töten, der mit seiner frau schläft. dieser solle gedemütigt werden bis er winsele und dann getötet werden. der song endet unmisverständlich mit: "kill him, amen." damals noch relativ unverfänglich, da durch den albiniimmanente zynismus gebrochen, weiß man heutzutage nicht wieviele fundamentalistische christen sich sowas wirklich abends ins kopfkissen nuscheln. ansonsten besticht die platte mit songs über eichhörnchen ('squirrel song'), zahlen ('new number order') und einem gegen sich selbst ('song against itself'). als fazit läßt sich mit martin büsser ziehen, daß shellac eine form von rock spielen, "die an den versöhnenden Geist von Rock nicht mehr glauben kann."
folglich bescheinigen einige kritiker shellac die zukunft von rock zu sein, dieses langweiligen und oft totgesagten (postrock any one?) genres.

neben diesen "offiziellen" veröffentlichungen haben shellac noch eine reihe von obskuritäten veröffentlicht. stellvertretend sei hier die auf 779 stück limitierte vinyl-only 'the futurist' verwiesen, die musik wurde für das kanadische tanzensemble la la human steps komponiert und ist rein instrumental. diese platte wurde nur an 779 freunde von shellac verschenkt, deswegen wird sie auch "the friends of shellac record" genannt. auf jeder platte wurde neben der liste "aller" freunde per hand der name des beschenkten eingetragen, so daß sich nachvollziehen lassen würde, wer seine platte verkauft hat, wenn eine bei ebay etc. auftaucht. dieses vorgehen zog natürlich das interesse von sammlern und fans auf sich. einige platten kamen tatsächlich in den handel, normalerweise jedoch mit geschwärztem namen.



zu den live-qualitäten, die nach den kursierenden bootlegs/live-alben zu urteilen grandios sind, kann man auch mal richard fragen, der sie am 11.9.2001 in berlin sah, war wohl ein merkwürdige abend, da wenig bis gar keine kommunikation, aber eben musikalisch ganz weit vorne.

auf der offiziellen shellac-seite bei touch and go heißt es seit ca. 2004: "shellac will have a new lp anytime between now and 2007." das gute ist, daß 2007 heute viel näher ist als es 2004 mal war.

diskographie

(jahreszahl, label)

the rude gesture: a pictorial history (1993, touch & go)

uranus (1993, touch & go)

the bird is the most popular finger (1994, drag city)

at action park (1994, touch & go)

shellac live in tokyo (1994, nux organization)

billiardspielerlied (1995, self-released)

sides 1-4 (1995, skin graft/gasoline boost)
a jailbreak (shellac)
b t.n.t. (big'n)
c angus dei aus licht (brise-glace)
d sin city (u.s. maple)

soul sound single (1997, touch & go)
a the rambler song (shellac)
b beauteous (mule)

the futurist (1997, self-released)

terraform (1998, touch & go)

1000 hurts (2000, touch & go)

agostino (2000, self-released)
a agostino (Shellac)
b the safeword (Caesar)

p.s. zum abschluß noch ein hinweis, dieser post wird demnächst als buch erscheinen.

6 Kommentare:

Julius Firefly hat gesagt…

Das Buch würd' ich glatt mal ausleihen - ob ich's kaufe, muß ich mir noch überlegen.

Shellac sind gut, und hier gut beschrieben. Also gute 8 Punkte!

Buttercup hat gesagt…

@Thaden: AdressatInnenorientiert richtet sich nach dem Thema (falls vorhanden) des Blogs, und da steht bei Daniel, daß es neben Gesichtsbehaarung auch um Musik und ähnliches gehen soll.

Da ich leider Shellac nicht kenne, ich aber nach dem hier zu lesenden durchaus zum Probehören bereit und angeregt bin, sag ich mal gut klingende 7 Punkte.

Anonym hat gesagt…

nicht so meine welt. ich fände es eher wichtig, dass die gala in der letzten woche darüber berichtete, dass eine bisher unveröffentlichte version der dreigroschenoper von james (hansi) last aus dem jahre 1977 demnächst in die läden kommt. aber schön gemacht, 7 punkte.

frank-rock hat gesagt…

Beinahe, aber auch nur beinahe hätte ich mich strafbar gemacht und die Disographie gesaugt. Aber das war mir das Risiko dann doch nicht wert. Die Vinylliebe und Sammelleidenschaft konnte ich zwar nie teilen (besitze ganze 20 LPs), aber immer respektieren und teils sogar bewundern.
Daher 7 Punkte.

Super-K hat gesagt…

Schöner runder artikel,und nett lass du wieder mal über musik geschrieben hast, wie ja dein blog verspricht.
Außerdem gute Aufklärungsarbeit, wo doch die anderen gezwungen sind das zu lesen um es zu bewerten, sehr schlau.
Mensch sieht, dass dir das Thema liegt, solltest öfter sowas schreiben. Kann man nicht von irgendwem Geld dafür bekommen?

Von mir gibts leider nur 9 doofe Punkte, die dir keine Wohnung bezahlen, aber immerhin, oder?

Anonym hat gesagt…

@super-k: wieso muss ich das lesen, um es zu bewerten?