Dienstag, August 14, 2007

Totes Holz aus wachsenden Bäumen

Die These, daß Pay-TV a pain in the ass sei, widerlegt HBO seit mehreren Jahren immer wieder mit konzeptionell und qualitativ herausragenden (vom Sender produzierten) Serien. Neben dere als morbide Comedy - und damit den Zuschauer komplett auf die falsche Fährte führende - beworbene Serie Six Feet Under und dem Mafia gone mad-Highlight Sopranos gab es von 2004 bis 2006 das als Western-Drama umschriebene Imprint Deadwood.




Wie auch bei den anderen Beispielen interessieren bei Deadwood weniger genretypische Konventionen (auch wenn sie natürlich zum Repertoire gehören). Die Serie beleuchtet exemplarisch an einem der letzten Refugien des realen Wilden Westens die wirschaftliche und soziale Entwicklung eines Goldgräbercamps anstatt - wie bei postmodernen Western üblich - die Stilmittel klassischer Western zu überzeichnen. Also die Komponenten rohe Gewalt, Zivilisationskritik und die Abwesenheit jeder Westernromantik durchzudeklinieren wie etwa The Proposition. Deadwood kombiniert komplexe Handlungen, die Abwesenheit moralisch eindeutiger Zuschreibungen und ambivalente Charaktere. Dabei versucht sie relativ nah an der Geschichte zu bleiben, so werden etliche reale Personen in die Serie eingebaut (Wild Bill Hickok, Calamity Jane etc) bzw sind ihre Hauptdarsteller (Seth Bullock, Al Swearengen etc) . Seth Bullock (dargestellt von Timothy Olyphant, den einige vielleicht aus Live Free or Die Hard kennen) ist der Kristallisationspunkt der Entwicklung, er wird vom sein Glück machen wollenden Eisenwarenhändler zum ersten Sheriff des Camps. Er ist jedoch nicht treibende Kraft der Zivilisierung und Modernisierung des nach dem Recht des Stärkeren organisierten Goldgräberlagers. Das Faustrecht hat sich in dem Lager seine eigenen Gestze geschaffen, da das Camp noch nicht Teil der USA ist, sondern zunächst illegal, später dann von der Regierung in Washington geduldet, auf dem Territorium der us-amerikanischen Ureinwohner gegründet wurde, entwickelte sich so eine auf Durchsetzungskraft gebaute Sozialstruktur.



Zum Motor der zivilisierenden Modernisierung wird eine große Goldschürfgesellschaft und eine Bordell- und Glücksspielkette, die die lokalen Strukturen zu zähmen versuchen, um ihren Gewinn zu gewährleisten. Mit der als Katastrophe einfallenden Moderne stellt sich Deadwood in eine Reihe mit Sergio Leones Genreklassikern, allen voran Spiel mir das Lied vom Tod, in dem der Eisenbahnbau das Ende des vermeintlich unschuldigen Landlebens bringt. Das widersprüchliche an der voranschreitenden Modernisierung ist in diesen Fällen, daß sie sich barbarischer Methoden und grausamer Helfer bedient, die in Gewaltexzessen die, die nicht mithalten wollen oder können, eliminieren.



Deadwood präsentiert die klassische Gegenüberstellung des Helden (der knurrige, wortkarge, von persönlichen Moralvorstellungen getriebene Seth Bullock) und seines Widerparts (der grantelige, v.a. an Profit interessierte Al Swearengen). Zunehmend verschwinden und verschwimmen die Rollen jedoch und die Notwendigkeit beider Prinzipen für die Campentwicklung werden deutlich. Der zunächst unsympathische Swearengen (gespielt von Ian McShane) gewinnt je mehr an Sympathie je deutlicher seine Rolle als vormoderner Geschäftsmann, quasi als Tante-Emma-Laden von Prostitution, Glücksspiel und Bestechung, herausgearbeitet wird. Eine romantische Sichtweise, die den Gangster als "humanere", weil lokale, Alternative zum unpersönlichen Heuschreckenkapitalismus der großen Schürfgesellschaft positioniert. Zu einfachen Antworten lassen sich die Serienmacher jedoch nicht hinreissen, sondern betonen v.a. die Komplexität in der sich zivilisatorische Prozesse abspielen.

Neben den skizzierten sozialgeschichtlichen Elementen wird, wie bei HBO üblich, geflucht, daß sich die Balken biegen, nicht nur deswegen sollte die Serie also unbedingt im Original geschaut werden. An eine deustche Fassung kann man eh nicht gewöhnt sein, da die Serie (bisher) nicht im deutschen Fernsehen gelaufen ist. Zufällig kommt Donnerstag die letzte (dritte) Staffel in Deutschland als DVD-Box heraus. So watch it, cocksucker!

p.s. alle Bilder von imdb.com

2 Kommentare:

frank-rock hat gesagt…

Oder "die These, daß Pay-TV a pain in the ass sei, widerlegen" und den Kram freitags abends bei Premiere Serie gucken.

Julius Firefly hat gesagt…

Nur leider widerlegt Premiere die These nicht. Auf hochwertige Eigenproduktionen wird man da lange warten müssen.